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Das Gebiet des ehemaligen Amtes Ergste gehörte bis zum Jahr 1807 zur Grafschaft Limburg. Die Grafschaft gliederte sich in die "Freiheit Limburg" und die Vorsteherbezirke Berchum, Ergste und Hennen.

1806/07 während der napoleonischen Zeit kam die Grafschaft Limburg, genau wie die benachbarten, bis dahin preussischen Gebiete der Grafschaft Mark zum Großherzogtum Berg, dessen Verwaltung nach französischem Vorbild gestaltet wurde. Die Vorsteherbezirke Berchum, Ergste und Hennen wurden 1808 zu einer "Mairie" (Bürgermeisterei) zusammengefasst, die in Ergste ihren Sitz erhielt. Mit der "Mairie Limburg" bildeten sie den "Canton –Limburg" als Unterpräfektur im Ruhrdeparte-ment. Es wurde also für die drei Gemeinde 1808 die erste gemeinsame Verwaltung gebildet, das spätere Amt Ergste. Damit waren die Reste der mittelalterlichen Selbstverwaltung zerschlagen, die sich in Westfalen auf ein lange Tradition stützen konnte.

Nach dem Ende des Napoleonischen Reiches kam auch die frühere Grafschaft Limburg zu Preussen. Die Mairie Ergste wurde als "Bürgermeisterei-Ergste" 1817 dem neu gebildeten Kreis Iserlohn zuge-ordnet. Dieser gehörte zum Regierungsbezirk Arnsberg.

Die Landräte der neuen Kreise mussten sofort an eine eingehende Bestandsaufnahme gehen und ausführliche Berichte nach dem Stand von 1818 einreichen. Die Angaben der Bürgermeisterei Ergste lauteten: auf einer Fläche von 58,2174 qkm stehen 427 Häuser, wohnen 103 Katholiken, 1223 Lutheraner, 1230 Reformierte und 54 Juden.

Man liess die französische Ordnung zunächst bestehen, bis im Jahre 1841 die westfälischen Land-gemeinden eine neue Ordnung auf Grund der Steinschen Reformen bekamen, wonach die Gemeinde-vorsteher weiterhin ernannt, nicht gewählt wurden.

Praktisch kümmerten sich die Bauern und Handwerker in den Dörfern kaum oder wenig um die "Kommunale Neuordnung". Man trieb die althergebrachte Kirchtumspolitik und schaute kaum über die Grenzen des eigenen Dorfes hinaus. Es bestimmten nur die Sorgen um den Alltag das tägliche Leben, wenn sich auch in der Verwaltung manches geändert hatte, aber auch hier waren die Verhält-nisse noch sehr primitiv, ja, wie der damalige Landrat Müllensiefen in Iserlohn schrieb, "noch gänz-lich verwildert".

Einer der ersten Bürgermeister war Johann Hermann Henr. Christian Hengstenberg, Landwirt und Wirt aus Ergste, der mit dem Landrat Müllensiefen auf sehr schlechtem Fuss stand. Müllensiefen sagte über den Bürgermeister "dieser habe mit Ausnahme eines Briefes von wenigen Zeilen – nie mehr als seinen Namen geschrieben" und notierte in seinen Erinnerungen u.a.: "Verlegung des Büros aus dem Hause des (halbwegs von Iserlohn wohnenden) Verwaltungssekretärs nach Ergste in die Wohnung des Bürgermeisters und Einrichtung einer Registratur daselbst, welche bis dahin bloss darin bestanden, dass alle Akten ohne Ausnahme ungeheftet aufeinandergeschichtet worden! N.B. eine gegen diesen, dem Trunk ergebenen durchaus unqualifizierten Bürgermeister von mir geführte weitläufige Unter-suchung musste von dessen vornehmen Verwandten in Limburg, Essen, Wetter und Berlin allen nur gedenkbaren Widerspruch erleiden; sie wurde einer gerichtlichen Prüfung unterworfen und sogar ins Kabinett gebracht: weil das Amt bloß das sein sollte, den Bürgermeister zu ernähren! S.M. unser gerechter König, war aber dieser Ansicht nicht: der pflichttreue Landrat behielt Recht, und der un-tüchtige Bürgermeister ward abgesetzt."

Aus den Akten im Kreisarchiv geht hervor, das Hengstenberg 1828 "ohne Pension" entlassen wurde. Nachfolger wurde der Bürgermeister Verhoef bis 1835.

In der Bürgermeisterei Ergste gab es jährlich drei gewöhnliche Märkte", von denen einer in Ergste und zwei in Hennen abgehalten wurden.

Nachdem Verhoef 1835 auf s einenen Wunsch entlassen worden war, folgte im Amt der Oberlandes-Gerichts-Refendarius Wiesner, der 34 Jahre erfolgreich, seit 1844 als sogenannter "Amtmann" gewirkt hat. Er hat sich sehr für die Einrichtung der Sparkasse des Amtes Ergste eingesetzt. Dem Amtmann zur Seite standen ein oder zwei ehrenamtliche Amtsbeigeordnete.

Nach den revolutionären Aufständen 1848/49 in Berlin, Baden und Iserlohn gab die gesamt-preussische Gemeindeordnung die Unterschiede zwischen Stadt und Land wieder auf. Sie übertrug zudem die staatlichen Aufsichtsrechte dem Kreis- und Bezirksausschuss. Andererseits räumte sie den Kommunen nicht die erstrebte Polizeihoheit ein. Verpflichtend war allemal das Dreiklassenwahlrecht. Im Gegensatz zum preussischen Osten, wo allein der Gutsbesitzer herrschte, bot sich aber in West-falen weiterhin allen Einwohnern die Möglichkeit, bei der Verwaltung mitzuwirken. 1886 wurde in Westfalen die neue Kreisordnung aus dem Jahre 1872 eingeführt. Danach setzte sich auch in den Kreisen die Selbstverwaltung durch, wenn auch weiterhin Landrat, Amtsbürgermeister und Vorsteher der Gemeinden von der Regierung ernannt bzw. bestätigt wurden. Das wurde bis 1946 nicht anders.

Auch die Bismarckzeit brachte die kommunale Selbstverwaltung nicht vorwärts. Bismarck selbst stand dem "wüsten Geschrei nach Dezentralisation und Selbstverwaltung" – skeptisch gegenüber. Nur auf sozialpolitischem Gebiet, vor allem beim Krankenversicherungsgesetzt von 1883 hat er dem Prinzip der Selbstverwaltung Rechnung getragen. Die Kassen verwalteten sich selbst durch einen freige-wählten Vorstand, in dem Arbeitnehmer das Übergewicht besassen. Es bildet sich damals im Amt die "Allgemeine Ortskrankenkasse des Amtes Ergste".

Während dieser Zeit lag die Amtsverwaltung bis zu seiner Pensionierung 1869 in den Händen des Amtmanns Wiesner. Im folgte Kreisschreiber Neuhaus aus Iserlohn, Kreisschreiber Nölle aus Hamm, seit 1870 der Civilsupernumerar Weil aus Plettenberg als kommissarischer Amtmann. Zu seiner Zeit wurde 1874 in Ergste ein Standesamt eingerichtet, das für den gesamten Amtsbezirk zuständig war, bis 1875 die Gemeinde Hennen ein eigenes Standesamt erhielt; 1887 bekam auch die Gemeinde Berchum ein Standesamt.

Nach nur 5-jähriger Tätigkeit verliess Amtmann Weil Ergste. Sein Nachfolger war der Premier-leutnant a.D. von Bothmer, der von 1876 bis zu seinem Tode im Jahre 1884 als Amtmann tätig war. Zu seinem Nachfolger wurde erstmalig ein "Ehrenamtmann" bestellt. "Auf Allerhöchsten Befehl" übertrug der preussische Minister des Inneren dieses Amt dem Guts- und Brennereibesitzer Bormann aus Ergste, der vorher schon Amtsbeigeordneter gewesen war. Am 1. April 1895 trat Bormann zurück und übergab die Geschäfte dem Amtsbeigeordneten Wiesner. Wegen der endgültigen Wiederbe-setzung der Ehrenamtmannstelle kam es im Amt zu ernsten Auseinandersetzungen. Ernsthafter Bewerber war der 1838 in Holzwickede geborene Gutsbesitzer Friedrich Hiddemann gnt. Schulte-Rheinen. Seit 1873 war er Gemeindevorsteher in Hennen, seit 1875 Standesbeamter und seit 1876 Amtsbeigeordneter. Entschiedener Gegner der Übertragung des Amtes auf Hiddemann war der Gutsbesitzer Hidding aus Ergste, der am 28. März 1895 dem Landrat Nauck erklärte, "dass er dem neuen Ehrenamtmann den Krieg erklären wolle", wenn der Amtssitz von Ergste wegverlegt werde. Amtssitz war nämlich in der Regel der Wohnsitz des Amtmanns bzw. Ehrenamtmanns. Obwohl sich auch die Amtsverordneten von Ergste und Berchum der Wahl entgegen stellten, wurde Hiddemann durch Erlass des Oberpräsidenten in Münster am 24. Juni 1895 zum Ehrenamtmann ernannt und der Amtssitz wurde nach Rheinen verlegt. Hiddemann versah sein Amt mit viel Eifer, hatte aber ständig mit Schwierigkeiten zu kämpfen. So dramatisch wie sein Amtsantritt, war auch sein Abgang. "Gute Freunde" hatten offensichtlich die Aufsichtsbehörde "in geeigneter Weise" informiert, so dass Hiddemann am 1.4.1905 sämtliche Ehrenämter zur Verfügung stellte.

Hiddemanns Nachfolger wurde ein Berufsbeamter namens Overbeck, und der Amtssitz wurde wieder nach Ergste zurückverlegt. Das war in der Wilhelminischen Zeit.

Es kam der 1. Weltkrieg und die Revolution 1918 mit der Auflösung des Dreiklassenwahlrechts. Obwohl die Reichverfassung wie auch die preussische Landesverfassung die Selbstverwaltung in den Kommunen ausdrücklich garantierten, kam es in Preussen zu keiner bedeutenden Verwaltungsreform. In Westfalen galt weiterhin die Ordnung von 1856, die den Ämtern und Gemeinden in vielen Fällen die Ausführung staatlicher Aufträge selbst überließ. Bis dann ab 1935 unter der Diktatur der National-sozialisten die kommunale Selbstverwaltung dem Führerprinzip unterworfen wurde, den Bürger-meister zum allein "Staat und Partei" verantwortlichen Oberhaupt des Amtes bzw. der Gemeinde machte und die Wahlen zu bürgerlichen Vertretungen abschaffte.

Im Amt war inzwischen Amtmann Overbeck, der 1932 persioniert wurde. Dem Amtsbeigeordneten Hidding wurden die Amtsgeschäfte ehrenamtlich übertragen. Hidding blieb auch 1933 und bis 1945 ehrenamtlicher Amtsbürgermeister, bis ihn die Amerikaner nach dem Einmarsch in Ergste absetzten.

Bevölkerungszahlen 1933


1933 Ins. männl. weibl. ev. rk. jüd. sonst. konf.los


Berchum 725 388 337 665 42 - 4 15
Ergste 1.775 924 851 1.602 151 14 6 2
Hennen 2.612 1.360 1.252 2.298 314 - - -


Amt 5.112 2.672 2.440 4.565 506 14 10 17

1967

Berchum 1.439 734 725 1.121 263 - 75 -
Ergste 3.805 1.843 1.962 2.793 870 - 142 -
Hennen 6.579 3.283 3.296 4.420 1.779 - 380 -


Amt 11.843 5.860 5.983 8.334 1.912 - 597 -

Mit dem Ende des 2. Weltkrieges 1945 und dem Zusammenbuch der staatlichen Ordnung waren die Gemeinden sich selbst überlassen, das öffentliche Leben wieder in Gang zu bringen. Diese Situation wusste ein deutscher Wehrmachtsangehöriger zu nutzen, anstatt in Gefangenschaft zu gehen, setzte er sich als Bürgermeister von Berchum und Amtsbürgermeister des Amtes Ergste in die Amtssessel. Als Dr. der Theologie und Pastor bewohnte er das Pfarrhaus in Berchum. Dem Hennener Bürgermeister Fritz Scharzelühr, der ihm gleich mit Misstrauen begegnete, erzählte er u.a., dass er im Amt die "Todesstrafe" eingeführt habe und einen guten Nachrichtendienst organisieren werde, um die Plünderungen zu unterbinden. Auf seine Anordnung wurde in Hennen eine "Sammlung" veranstaltet, die 4.000,-- DM (wahrscheinlich umgerechnet) kassierte er bei einem zweiten Dienstbesuch.

Einige Wochen hat dieser falsche Bürgermeister das Amt regiert, bis er durch den Superintendenten entlarvt wurde. Man verhaftete ihn wegen falscher Titelführung.

Mit der Leitung der Amtgeschäfte wurde in Ergste der Bauer Herbert Brunnenberg von den Alliierten eingesetzt, in Hennen war es Gutsbesitzer Fritz Schwarzelühr und in der Gemeinde Berchum Karl Horchler. Im November 1945 übernahm der frühere Amtmann des Amtes Wellinghofen, Wilhelm Dresing, die Leitung des Amtes, der sich besonders für die Versorgung mit Brennstoffen und Heizmaterial einsetzte. Der "Dresing-Pütt" auf dem Schnee bei Witten hat das Amt zusätzlich mit Steinkohlen versorgt.

Nach der Aufteilung der Besatzungsgebiete, hier waren die Engländer zuständig, wurde nach dem 1. April 1946 die sogenannte "Revidierte Deutsche Gemeindeordnung" erlassen. Hiernach wurde nach englischem Muster dem gewählten Bürgermeister ein Leiter der Verwaltung, der Amts- und Gemein-dedirektor als oberster kommunalter Beamter zur Seite gestellt.

Die erste Wahl der Nachkriegszeit war im Oktober 1946, wo 18 Amtsvertreter von den politischen Parteien, der SPD, der CDU und KPD gewählt wurden. Die Vertreterversammlung des Amtes wählte den Landwirt Fritz Heinemann zum Amtsbürgermeister, der bis 1952 das Amt politisch vertrat. 1952 wurde als Amtsbürgermeister der Bauer Wilhelm Böhmer – Höfen gewählt. Dessen Nachfolger waren 1956 der Rentner Karl Dickhut – Ergste, 1961 Schreinermeister Heinz Stricker – Hennen, 1964 Schlosser Fritz Claus und seit 1969 wieder Schreinermeister Heinz Stricker – Hennen.

Der seit 1945 amtierende Amtsdirektor Dresing wurde 1950 pensioniert, Nachfolger wurde Willi Koschwitz.

Die Amtsverwaltung war ursprünglich klein. Ein Sekretär wird zwar schon in den ersten Jahren genannt, nachgewiesen sind bisher die Sekretäre Fleer 1889, Punge 1894, Horst 1895, Steffen 1900. Die Schreibstube befand sich in der Wohnung des Amtmanns, 1872 war das "Amtsbureau" im Grürmann´schen Haus. Am 31.07.1872 stimmte der Landrat der Verlegung in die Wirtschaft Kage-Beckmann zu, vom 1.05.1880 bis zum Frühjahr 1886 war das Amtsbüro im Haus des Brennerei-besitzers Friedrich Brenne, anschließend vom 1.5.1886 mit Zustimmung des Regierungspräsidenten in Arnsberg bis zum 25.07.1895 auf dem Gut Beckhausen. Während der Amtszeit des Ehrenamtmanns Hiddemann befand sich das Amtsbüro in Rheinen, seit 1905 dann wieder in Ergste. Schon 1880 wurden Bestrebungen bekannt, den Amtssitz nach Hennen zu verlegen.

Nach diesen "Wanderjahren" hat die Amtsverwaltung ihren endgültigen Standort in Ergste an der Schwerter Straße (heute Letmatherstr.).

Bis zum 30.9.1933 unterhielt die Gemeinde Hennen ein eigenes Gemeindebüro. Im Zuge der Zen-tralisierung der Verwaltung wurde diese Dienststelle aufgehoben. Seit dem 1.10.1933 befindet sich in Hennen eine Verwaltungsnebenstelle, die bis 1964 in einem Privathaus untergebracht war, bis in der Bahnhofstraße des amtseigenen Verwaltungesgebäude in Gemeinschaft mit der Amtsspraksse zu Hennen gebaut wurde.

Am 27. September 1974 wurde im Landtag NRW das Gesetzt zur Kommunalen Neuordnung im Märkischen Raum verabschiedet, wonach alle Ämter zum 1. Januar 1975 aufgelöst wurden. Danach teilt man das Amt Ergste auf, so dass die Gemeinde Hennen mit ihren 7 Dörfern geschlossen ein Stadtteil Iserlohns wurde. Die Gemeinde Ergste kam nach Schwerte und Berchum wird Ortsteil von Hagen.

Die Geschichte des Amtes Ergste ist damit abgeschlossen und eine 166 Jahre alte kommunalpolitische Aufbauarbeit beendet.

Roswitha Bliese

Literatur:

Ergste – Heimatbuch 1968
166 Jahre Amt Ergste, Wilhelm Rademacher, in Kreis Iserlohn – Beiträge zur Landeskunde, Hef 12, Dez. 1974